Der Eulenbaum

Ah, langsam kam man der Sache näher, sie lernte zu kontern. Amüsiert schnurrte der Schwarze über ihre kleine Neckerei. "Pass nur auf, sonst fang ich an zu bellen." Feuerpfote sah in den Himmel und beobachtete die Vögel, die ab und an von einem Geäst in das nächst huschten, denn bei dem leichten Regen versteckten sie sich auch lieber irgendwo, als am Himmel herum zu flattern. "Jeder hat sein eigenes Los. Ich denke sie haben es auch nicht leichter, als wir. Immerhin kann überall eine hungrige Katze auf sie lauern." Er hatte kein Bedürfnis irgendwelchen absurden Fantastereien hinterher zu jagen. Zwar hatte er auch Träume und Wünsche, doch Nightspark war da eher realistisch und malte sich potentiell mögliche Dinge aus. "Komm ein wenig näher an den Baumstamm, hier ist das Geäst dick genug, damit der Regen nicht so hindurch kommt." Auf ihrer beider Fell haftete bereits schwer der Regen, der unerwartet eingesetzt hatte. Als sie dichter neben ihm saß, drückte er sich etwas näher an sie und schlang seinen Schweif leicht um ihren zierlichen Körper. Sein Fell war weitaus dichter und hielt den Regen noch etwas besser ab und die Kälte. Er wollte sie wärmen. "Hoffentlich erkältest du dich nicht, vielleicht ... gibt es irgendetwas, wo wir unterschlüpfen können hier in der Nähe?" Wahrscheinlich war es sogar besser, wenn sie in ihr Lager zurückkehrte, dort konnte sie sich in den Schutz der Baue zurück ziehen. Ausnahmsweise war der Schwarze aber etwas egoistisch, so schnell wollte er nicht, dass sie ihn wieder verließ, denn vorerst wollte er sich lieber noch vom Lager fernhalten.

Er überging mit aufrichtiger Erheiterung ihre kleine Spitze. Immerhin hatte er mit dem Hunde-Thema angefangen und sie wussten beide, dass es nur Spaß war, warum also böse sein? Es war unglaublich angenehm ihren Körper so dicht an seinem zu spüren. Es fühlte sich so richtig an, als wär es ein Naturgesetz, dass sie so zusammenpassten. "Dann lass uns hier bleiben." bekundete der Schwarze, als Feuerpfote die Option in Aussicht stellte, man könne vielleicht einen anderen Unterschlupf bei den Sonnenfelsen finden. Ehe sie dort wären, wären sie noch mehr durchgeweicht. Nein, wenn es in unmittelbarer Nähe Nichts gab, war es besser zu bleiben, wo man war. Außerdem bot das Blätterdach so nahe am Baumstamm ausreichend Schutz, sodass hier sich kaum ein Regentropfen her verirrte. Ohne sich dessen wirklich bewusst zu sein verschlang er seinen Schweif mit dem ihren und legte dicht neben sie, seinen Kopf auf die Vorderpfoten. Es war so wunderbar friedlich mit ihr. "Ich ... mag dich wirklich sehr gern Feuerpfote." gestand er und schloss die Augen. Nightspark war weiterhin aufmerksam, die aufgerichteten Ohren zeigten an, dass er ihr zuhörte und die Umgebung zumindest soweit sondierte. Schlafen konnte er, wenn er allein war, aber es war einfach angenehm so zu liegen.

Sein Herz jubilierte, als sie ebenfalls gestand, dass sie ihn sehr mochte. Ein wohlig warmes Gefühl breitete sich in seinem Innern aus, das jede Kälte vertrieb. Diese einfachen Worte bedeuteten ihm so viel, nie hätte er es sich vorstellen können. Nun, eigentlich hatte er sich so einiges in seinem jungen Leben nicht oder noch nicht vorstellen können. Doch wie es immer war, führte das eine zum andern und ehe man sich versah, waren die wunderbarsten Dinge geschehen. So zum Beispiel war im Feuerpfote geschehen und sein Glück konnte der Schwarze noch immer nicht fassen. Ihre Frage kam dann doch etwas unerwartet für ihn, überraschte. Mit großen Augen sah Nightspark sie an. Sie kannten sich doch beide kaum ein paar Tage und Feuerpfote machte sich schon solche Gedanken?
Er hatte die flammenfarbene Kätzin wirklich mehr als gern und doch schien es ihm ein wenig verfrüht, über solch schwerwiegende Entscheidungen zu grübeln. Night wusste nicht, was er dazu sagen sollte. Der Schwarze setzte sich auf und schlang etwas peinlich berührt den Schweif um die Pfoten. "Ich ... also ... ich hab dich wirklich sehr lieb Feuerpfote ... aber denkst du nicht, dass es für uns beide noch etwas früh ist, über so etwas nachzudenken?" fragte er vorsichtig und mit leichter Verunsicherung. Er wollte sie mit dieser Aussage nicht verletzen, aber es erschien ihm irgendwie noch nicht richtig.

Es kann der Beste nicht in Frieden leben, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt. So oder ähnlich hätte man wohl sagen können. Jedenfalls schien man in diesem Wald keine fünf Herzschläge mal Ruhe und Zweisamkeit ungestört genießen zu können. Feuerpfote hatte ihm kaum auf seine Aussage entgegnet, als eine andere Katze - viel mehr ein anderer Kater - erschien. Die feuerfarbene Kätzin war sofort aufgesprungen und hatte sich in Angriffsposition gebracht und auch Nightspark war, einem unangenehmen Impuls folgend, sofort aufgestanden und hatte sich neben sie gestellt. Es mochte nicht sein Revier, sein Heim sein, dass es hier zu verteidigen galt, dies war noch immer das Territorium des Donnerclans, doch es gab etwas anderes, das er bis zum letzten Blutstropfen beschützen würde.
Anders aber als die junge Kätzin, blieb er zunächst äußerlich völlig ruhig, nur sein Blick gab glühende Entschlossenheit zu erkennen. Er sog leicht die Luft ein. "Du bist keine Waldkatze. Und scheinbar auch kein Hauskätzchen. Wer bist du, und was willst du - wenn keinen Ärger?" fragte er mit schneidender Ruhe. Night wusste noch nicht, was er von dem Fremden halten sollte. Dieser hatte sie beide noch nicht angegriffen, anders als diese Irren Blutkrallen oder wie immer die Gruppe wirklich heißen mochte, zu der Diablo gehörte. Was aber nicht bedeuten musste, dass der Fremde nicht auch zu jenen gehörte. Die unliebsamen Begegnungen hatten dem Schwarzen gereicht, er war jetzt weitaus vorsichtiger und misstrauischer.

Der fremde Kater bestätigte zumindest einen Teil von Nightsparks Gedankengängen. Er war ein Streuner wie der Schwarze selbst es auch war. Soweit so gut. Das bedeutete aber noch immer nicht, dass der Fremde keine Gefahr darstellte. Night konnte sich nicht an einen Kater wie ihn erinnern. Die Stadt war so riesig ja nun auch wieder nicht. Oder doch? Auf jeden Fall war der andere auch kein kleines Kätzchen mehr, sondern schien sogar älter als Night und Feuerpfote. Wovon sich der Schwarze allerdings nicht beeindrucken ließ. "Ich habe die Erlaubnis hier zu sein, kannst du das auch von dir behaupten?" Nights Nackenfell stellte sich leicht auf, aber noch hielt er sich zurück. Auch seine Krallen blitzten nun auf, wenn die anderen es taten, warum nicht er auch? "Ich frage dich also zum letzten Mal, was willst du hier?"

Feuerpfote reagierte zu überstürzt und der Streuner absolut ungebührlich. Er war hier nicht in der Stadt, sondern im Revier der Waldkatzen. So wie diese sich außerhalb des Waldes den Regeln und Gesetzen der Straße anpassen mussten, hatte der Streuner dies auch hier zu tun. Für wahr, Streuner und Straßenkatzen hatten nicht viele Regeln und überschritten ihre selbst geschmiedeten doch recht gern, doch irgendwo gab es nun einmal Grenzen, die man einfach nicht zu übertreten hatte.
Während der Fremde noch auf die Kätzin fixiert war, machte Nightspark seinen Zug. Mit einem großen Satz sprang er auf den Streuner zu, statt ihn aber direkt anzugreifen, machte er eine geschickte Finte, die letztlich dazu führte, dass der Ältere vor ihm im Dreck lag. Night mochte jünger sein, aber mit seinen 9 Monden war er beinahe ausgewachsen und von der Statur des anderen unbeeindruckt. Außerdem, selbst wenn er ein eher friedliebender Kater war, er wusste geschickt zu kämpfen. Das hatte er grade wieder einmal bewiesen. "Es ist weder mein Territorium, aber noch weniger ist es deines und wenn du nicht augenblicklich verschwindest, werde ich dafür sorgen, dass du es bitter bereuen wirst." knurrte Nightspark mit kehliger Stimme.

Für einen schier endlosen Moment fixierte Nightspark den älteren Kater grimmig. Die hämischen Bemerkungen überging er einfach, es war unter seiner Würde auf derlei Sticheleien einzugehen, er würde sich ganz sicher nicht so einfach provozieren lassen und deshalb anfangen Fehler zu begehen. "Ich lasse dich jetzt los, und dann siehst du zu, dass du Asphalt gewinnst." knurrte er. Es war ein typischer Spruch der Stadtkatzen, wenn sie jemanden davon jagten. Vorsichtig machte der Schwarze seinem Wort Geltung und ging von dem Fremden, darauf bedacht aber, dass dieser ihn nicht linkisch einen Hieb oder ähnliches versetzen konnte. Überrumpeln würde Night sich nicht lassen. Er war darauf vorbereitet zur Not schnell seine Krallen wieder in das Fell des anderen graben zu können.